Hessischer Rundfunk: (…)Die Norwegerin Maja Ratkje hat vorn mitgesungen, mitgeflötet, Geräusche produziert, gejault, gepiepst, geknarzt, mit Plastikfolie geraschelt, und das Ensemble Modern hat ihr Stück National Anthems gespielt. Acht unterschiedliche Länder und Nationalhymnen haben wir dabei kennengelernt, die es alle nicht gibt. (…) Ratkje hat die Künstliche Intelligenz für sich arbeiten lassen. Ein Computerprogramm hat auf Basis von schon vorhandenen Wikipedia-Artikeln mehrere Länder neu erfunden, und die heißen zum Beispiel Norland Bolis, Hanyst, Mathuna oder Handong. Auf einer Leinwand lesen wir Fakten wie Einwohnerzahlen, Größe, Gründungsjahr, wir lernen etwas über die Geschichte und sogar die Küche des jeweiligen Landes. Es ist alles von Computern erfunden, und Mitglieder aus dem Ensemble Modern sind mit Mikro ausgestattet und lesen uns zusätzlich aus diesen fiktiven Wikipediaartikeln vor. Während dessen spielen die Musiker Musik, die ebenfalls von Künstlicher Intelligenz generiert worden ist auf Basis schon vorhandener Nationalhymnen, und diese Künstliche Intelligenz ist also die Grundlage für Maja Ratkje auf der sie komponiert, und sie bringt bei der Aufführung Ihre Erfahrung als Live-Elektronikerin und Sängerin mit ein. Sie steht vorn mit dem Mikrofon an einem Mischpult, und es gibt eigentlich keinen Klang, den sie mit ihrer Stimme nicht produzieren kann. Sie schafft vokale Strukturen, die sie mithilfe der Technik übereinander lagert. Sie erzeugt tierartige Klänge wie keifende Affen oder vorbei flatternde Vögel. Da denkt man an ferne, fremde Länder, aber sie singt auch mal mit der gespielten Ergriffenheit einer Pop-Diva, die auf einer öffentlichen Veranstaltung die Nationalhymne zum Besten geben soll, wir kennen das ja aus dem Fernsehen. Das computergenerierte Grundmaterial erklingt dabei manchmal konventionell gespielt, also alle spielen im Ensemble zusammen. Manchmal zerpflückt Maja Ratkje aber auch das Material, zerlegt es, dekonstruiert es oder die Töne der Melodie wandern vor einem Instrument zum anderen. Also wir im Publikum haben oft schmunzeln oder lachen müssen beim Hören oder lesen der durch Künstlicher Intelligenz erzeugten Texte. Das klingt wie Anfangskapitel aus Reiseführern, das sind Phrasen gewesen, die alles sagen und nichts sagen, Texte, die sich in ihren Aussagen logisch auch teilweise widersprechen, und Maja Ratkje verhandelt in Ihrem Stück National Anthems, also auf humorvoll ironische Weise die Problematik von Nationalstaaten, Nationalgefühl und politischen Idealen, und diese Botschaft ist im Text und Musik gestern bei uns in Publikum wunderbar angekommen. (Meinolf Bunsmann)
Neue Musikzeitung: (…)Dass Ratkje die beliebigen Text- und Klangfolgen selber nicht ernst nahm, sondern launig-abfällig kommentierte, eröffnete dem Publikum keinen neuen Zugang, sondern allenfalls der Komponistin eine Hintertür zu verlegener Selbstdistanzierung.(…)
Frankfurter Rundschau: (…)Eine gute Handvoll fiktiver Hymnen samt von den EM-Musikern eingesprochenen ebenso fiktiven Beschreibungen von Land und Leuten war so witzlos wie die gesamte Lehrhalbstunde, die auch Overhead-Projektion nutzte. Einmal durften alle mitsingen und hörte man auch, dass die Komponistin über Geräuschbildungskompetenz verfügt. Das Ganze ähnelte dennoch einer Aufführung des Leistungskurses „Musik und kreatives Schreiben“, wo Eltern gerührt den gutgemeinten und harmlosen Versuchen der Teenager lauschen.
Frankfurter Allgemeine: (…)National Anthems“ von der norwegischen Sängerin und Komponistin Maja S. K. Ratkje, und dieser Zyklus hatte wirklich alles, womit man hätte locken können: Phantasie, Humor, Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim Materialarrangement und eine charismatische Ratkje mit auf der Bühne, die ihre Nationalhymnen für erdachte und jeweils auch in Worten vorgestellte Staaten zusammen mit dem Ensemble Modern zum eklektisch-elektronischen Spektakel machte. Am 10. Januar wird dieses Konzert in Frankfurt, dem Sitz des Ensembles, noch einmal gespielt: dem Vernehmen nach ausverkauft, Heimvorteil.(…)
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