Wach auf! reviewed by Nordische Musik (DE)

Was ist eigentlich noch übrig von der Roten Revolution? Nur noch Nostalgie – oder doch noch die eine oder andere Lösung, wie wir aus der postmodernen Kapitalismus-Falle wieder rauskommen? Schwerer politischer Stoff, den sich das Trio Poing da ausgesucht hat. Aber die Frage hat anscheinend Energie in sich – sie hat eine CD hervorgebracht, die uns in unserem Wohnzimmer grinsend eine Runde Stechschritt für die nächste Revolution üben lässt.

Brecht lässt natürlich grüßen. Wo hier die Grenzen verlaufen zwischen Ernst und Ironie, ist nie so ganz klar. Allein bei der Auswahl der Songs: Peachums Morgenchoral, die Seeräuber-Jenny und der Kanonensong aus der Dreigroschenoper. Die Hymnen von DDR und Sowjetunion. Ja und sogar “True Colors”, das doch eigentlich irgendwo in den Tiefen des Plattenschrankes auf einer Kuschelrock-CD rumgammelt. Dann die Besetzung: Ein tango- und Schrammelmusik-taugliches Trio (Akkordeon, Bass, Saxophon). Und als Stimme Maja Ratkje, von der man sonst nur schwerst avantgardistisches Klanggewitter kennt. Stichwort Verfremdungseffekt: Ratkje singt die Brecht-Songs auf Deutsch, mit rollendem R, zutiefst norwegischer Vokalfärbung – aber sonst mindestens ebenso genial wie Vorbild Lotte Lenya.

Und drittens die Arrangements. Die Seeräuber-Jenny wird zur packenden Hör-Oper, von den Hymnen wird der Pathos restlos abgewischt, und trotzdem bleibt in den Songs viel Zorn, viel Überschwang, viel Mut zur Weltverbesserung. Dazwischen darf ein Tango mal in wilde Jazz-Improvisationen ausarten oder das Trio eine kleine Heavy-Metal-Runde einlegen. Am Ende ist man jedenfalls aufgewacht. Und bereit, die Welt zu retten.

(sep)

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